Fuchs und Schwan - Janusseite

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Prolog
       
Es war einmal ein Märchen von einem wunderschönen weißen Schwan und einem superschlauen Fuchs, die sich des Nachts zufällig auf einer Lichtung an einem zauberhaften kleinen Waldsee treffen.

Das sanfte Licht des freundlich wie bei „Peterchens Mondfahrt“ dreinblickenden Mondes hüllt den Märchenwald in ein mystisch dämmerndes Licht und der Mond spiegelt sich auf der, von kleinen Kräuselwellen überzogenen Wasseroberfläche. Elfengleich tanzen graziöse Mücken vor dem dunkelblau schimmernden Nachthimmel taumelnde Liebesreigen und verborgene Frösche rufen im Chor ihren klagenden Nachtgesang. In der samtigen Luft liegt ein hauchzarter Duft von Maiglöckchen und Orchideen. Es ist Friede, Stille, Wohlbehagen. Der Fuchs findet den armen weißen Schwan in einer ziemlich traurigen Verfassung vor:

Er, der sanftmütig Schwan, fühlt sich von seinen besten Freunden und der ganzen Welt verdammt missverstanden und fallengelassen. Er, der gütige Schwan, versucht doch immer nur das Beste; sich aufzuopfern für all jene, die ihn umgeben. Er ist großzügig und barmherzig und hilft doch an allen Ecken und Enden diesen armen gescheiterten Menschlein. Aber nun kapiert er überhaupt nicht, dass ihm niemand in seinem grenzenlosen Leid - an dem doch alle anderen schuld sind - helfen will, oder sonstwie Lust auf ihn hat.

Und der superschlaue Fuchs bekräftig den armen, traurigen Schwan auch ganz tüchtig mit wohlfeilem psychologischen Geschwätz in seinem Selbstmitleid, weil er – der Fuchs – natürlich ermessen kann, wie außerordentlich gütig, hilfsbereit und einfühlsam der arme weiße Schwan doch ist und dass einfach keine Socke da ist, die den Schwan nun unterstützen oder trösten will.

Und selbst der superschlaue Fuchs kann, ebenso wie der Schwan, überhaupt nicht nachvollziehen dass den keiner lieb hat. Und so sitzen und sinnieren sie noch eine Weile in der, in fahles Mondeslicht getauchten Waldlichtung, bis sich der superschlaue Fuchs dann heimlich aus dem Staub macht…
Drama

...und als der traurige Schwan noch in Gedanken den klugen Worten des Fuchs' nachhängt, bricht mit höllischem Getöse und unter dem Bersten der zarten Äste und Blätter des Waldes ein scheußlich grünviolettes Ungeheuer in die kleine Waldlichtung. Der zuvor so ruhige Waldsee schwappt mit wilden Wogen und wird schlagartig in einen schlammig braunen, übel riechenden Tümpel verwandelt. Entsetzt quakend fliehen glitschige Frösche und stieben bluttriefende Mücken davon.

›He du Wicht‹, poltert das grausige Ungeheuer und faucht den verdutzten Schwan mit stinkend flammendem Atem an, dass sein weißes Gefieder an den Spitzen versengt und der Flaum am Hals zu hässlich runzliger Gänsehaut verbrennt.
›Bist du etwa den klugen Sprüchen vom Fuchs auf den Leim gegangen?‹ höhnt das hässliche Ungeheuer und türmt sich vor dem ärmlichen Schwan auf, der sich verschüchtert in seine angekokelten Federn verkriecht.

›Was glaubst du eigentlich, was das wahre Leben ist?‹ brüllt ihn das Ungeheuer an, ›meinst du etwa, dass man nur mit Freundlichkeit und Sanftmut stark und erfolgreich wird?‹ Beängstigend stößt das Ungeheuer seinen Kopf vor und öffnet furchterregend seinen warzigen Schlund, als wolle er den Schwan auf der Stelle verschlingen.

›Sieh mich an!‹ faucht das Ungeheuer, ›sieh mir in die glutroten Augen, du Ärmling! Ich habe schon als kleiner Molch gelernt, dass man einen Panzer braucht. Ich habe gefressen, bin groß und stark geworden, um nicht selbst gefressen zu werden. Ich habe auf meinem langen Weg viele Feinde zurück gelassen, platt getreten, zermalmt.

Die so genannten Freunde waren mir höchst suspekt, weil sie sich als wertloser Ballast erweisen können, wenn man sie vielleicht einmal wirklich braucht...‹
Und plötzlich schnellt der Zeigefinder des Ungeheuers mit einer ekelhaften Kralle hervor, die den Schwan fast aufzuschlitzen droht:

›Du!‹ wütet das Ungeheuer ›du selbst, du armer Tropf bist verantwortlich für dein Leben. Nur dann wirst du stark. Nur wenn du endlich die Schwanzfedern deiner Mutter rausgerissen und deinen Schwanenvater geohrfeigt hast, dann wirst du wirklich am Leben teilnehmen und nicht als verhätschelt hässliches Schwänlein dich in stillem Selbstmitleid zerfleischen.‹

›Aber…‹ klingt es dumpf aus dem verbrannten Gefieder des inzwischen fast schwarzen Schwans ›ich wollte doch immer nur ein guter, liebenswerter Schwan sein, der alle seine Freunde fröhlich um sich schart. Immer nur an das Gute im Schwane glaubt und sich aufopfernd mit deren Seelennöten beschäftigt, um ihnen allen zur unendlichen Glückseligkeit zu verhelfen...‹ Dies sagend zieht er rasch wieder seinen Kopf in die übel riechende Masse verkohlter Federn zurück.

›Ha!‹ unterbricht ihn tobend das Ungeheuer, ›was für ein unreifes Gefasel. Du glaubst doch nicht ernsthaft dass ein so ungeübter Schwächling wie du Anderen jemals Kraft geben könnte? Und glaubst du denn ernsthaft, dass Schwäninnen auf Dauer einen so kraftlosen Softschwan haben wollen?‹ … dabei wiegt sich das Ungeheuer obszön protzend in seinen starken Hüften.

›Außerdem meinst du wohl, dass immer die Anderen schuld sind, wenn es dir nicht gut geht?‹ blitzt ihn das Ungeheuer an, ›hast du es schon mal mit Selbstkritik versucht? Kraft kommt nicht von Anderen, sie kommt aus dir selbst. Sie wächst dir sozusagen im ständigen Kampf wie ein Hornschild. Und dann bist du nicht nur stark, sondern auch gefeit gegen alle Unbillen dieses widerwärtigen Lebens, für das du ganz alleine verantwortlich bist.‹

Plötzlich deutet das Ungeheuer auf sich selbst: ›Schau her!‹ tippt er auf seine Brust, ›Viele sagen, dass ich im Überfluss lebe, fett und garstig bin. Aber trotzdem kann ich Drächinnen haben so viele ich will, wenn ich sie will. Ich habe Zuhörer, wenn sie mich amüsieren, ich kann anderen helfen, wenn ich es für nötig halte, weil ich kräftig genug bin. Aber ich kann sie auch einfach fallen lassen, wenn sie drohen, mir zu schaden, denn ich brauche sie nicht.

Ich habe mir einen Panzer angefressen, der mich unverwundbar macht, unverwundbar in diesem elenden kurzen Leben, im dem man doch immer nur auf sich selbst gestellt ist.‹ Beängstigend erhebt sich das Ungeheuer nun zu seiner vollen Größe und glüht den vor Angst zitternden Schwan an:
›So, und da du nicht den Zungenschlag wert bist, den ich benötigte, um dich zu verschlingen, weil du ohnehin kraft- und saftlos bist, gebe ich dir einen letzten guten Rat: Steh auf und kämpfe endlich für dein Leben!‹
 
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